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Die Euro-Medizin der Deutschen hat nicht gewirkt – nun keilen sie aus

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Die Euro-Medizin der Deutschen hat nicht gewirkt – nun keilen sie aus

Kaum habe ich Elmar Broks Verschwörungstheorie zur Abstufung von neun Euro-Ländern durch S & P in meinem Blog und in der “Welt” angeprangert, schon legt der CDU-Abgeordnete im Europaparlament nach. Nun behauptet er gar, dass “Interessen” in den USA uns den “Währungskrieg” erklärt hätten.

Nun macht sich jeder so lächerlich, wie er kann und ein Land, dass sich so wenig für die Welt da draußen interessiert wie Deutschland hat solche Außenpolitiker wie Brok irgendwie verdient. Über die Suche nach Sündenböcken in Anglo-Amerika habe ich in meinem vorherigen Blog schon geschrieben und über die degoutanten Geistestraditionen, die hier wieder aufleuchten. Nun möchte ich aber eine Analyse anbieten darüber, warum es gerade deutsche Politiker sind, die im Moment mit solch schrillen Entgleisungen auffallen. Die Antwort liegt gewissermaßen auf der Hand. Denn Standard & Poors hat nun den deutschen Weg der Krisenbewältigung als zu eindimensional und als ungenügend bezeichnet. Besonders die einseitige Konzentration auf pro-zyklische, also die Rezession verstärkende Sparmaßnahmen.

Die Süddeutsche Zeitung hat da heute in ihrem Leitartikel einen ziemlichen Unsinn geschrieben: “Die Amerikaner drängen die Kontnentaleuropäer  immer offener, die angelsächsischen Grundsätze ihrer eigenen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu übernehmen.” Das ist deshalb Unsinn, weil die Zweifel “der Amerikaner” oder genauer: von S & P genau die sind, die man in allen Hauptstädten Europas findet, die nicht Berlin heißen. Es sind begründete Zweifel ob die alleinige Konzentration auf die Sparpolitik, wie sie nun abermals im neuen Stabilitätspakt symbolisiert werden soll, wirklich dazu angetan ist, die Krise zu beheben.

Elmar Brok keilt gegen Amerika aus. Tatsächlich meint er damit genauso alle jenen Europäer, die genau dieselben Zweifel wie S & P an der Wirksamkeit der deutschen Medizin haben. Die Hauptforderungen dieser Zweifler: Die EZB soll jene Rolle übernehmen, die andere Zentralbanken auch haben, nämlich als “lender of last resort” fungieren und in noch größerem Umfang Staatsanleihen der Problemländer aufkaufen, damit diese nicht noch weiter in eine Abwärtsspirale gedrängt werden. Und sie sagen zurecht, dass die großen Sparanstrengungen in der Krise kontraproduktiv sind. Weil sie die Wirtschaft der Problemländer in eine Rezession treiben, die dann wiederum zu noch höheren Steuerausfällen führt die wiederum mit noch größeren Sparanstrengungen kompensiert werden müssen.

Ich habe schon im November geschrieben, wie einsam die Deutschen international mit ihrer Haltung dastehen und dass dies ein Grund sein sollte, die eigenen Positionen noch einmal auf ihre Stichhaltigkeit abzuklopfen. Bemerkenswert an der Stellungnahme von S & P ist deshalb auch das große Lob für die EZB. Die hat sich ja unter Mario Draghi etwas kreativer und flexibler gezeigt als noch unter seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet. Zwar ist sie noch nicht wirklich (oder nur zu kleinen Teilen) als “lender of last resort” aufgetreten. Aber sie hat den Markt mit billigem Geld geflutet, um einerseits eine Bankenklemme zu verhindern und andererseits die Banken dazu zu bringen, wieder Staatsanleihen zu kaufen. Das ist ja auch erst einmal funktioniert, wie man an den deutlich gesunkenen Spreads vergangener Woche sehen konnte.

Nun stellt sich aber S & P hin und sagt laut, wenn auch leicht verklausuliert, das, was viele in Europa denken: Die Deutschen sind das Problem. Und: So wie ihr Euch das gedacht habt, dass die Verabschiedung des Stabilitätspaktes reicht zur Krisenberuhigung, so wird es nicht funktionieren. Und nun sind manche deutsche Politiker eben sauer und ratlos und keilen gegen die “Anglo-Amerikaner” aus, reden von “Währungskrieg” und plustern sich ganz dolle auf.

Bezeichnend ist die relative Ruhe, mit der andere Hauptstädte in Europa reagiert haben. Deren Analyse ist nämlich nicht so weit entfernt von dem, was S & P als Begründung ihrer Herabstufung auf den Tisch gelegt hat. Nur wagte das bisher niemand so deutlich zu sagen, weil die Deutschen schließlich das Geld rausrücken müssen. Und die darf man deshalb nicht vergräzen.

Tatsächlich befinden sich die Deutschen in einem Dilemma. Sie hatten gehofft, mit dem Stabilitätspakt einen psychologischen Effekt auf die Märkte zu erzielen. Und vielleicht hatte man in Berlin auch angenommen, dass der Pakt, wenn er denn steht, eine Legitimierung für die EZB darstellen könnte, eine noch aktivere Rolle bei der Krisenbewältigung zu übernehmen. Die psychologische Wirkung wird sich wohl kaum noch realisieren lassen. Und ob die EZB mitmachen würde, das Gewünschte zu tun und sich dann gleichzeitig von den deutschen monetaristischen Fundamentalisten abwatschen zu lassen, steht auch in den Sternen.

S & P hat große Zweifel angemeldet an der Fähigkeit der Politik, dieser Krise Herr zu werden. Und das liegt unter anderem daran, dass die Krise und das Verhalten verschiedener Regierungen in den Problemstaaten, besonders Griechenland und Italien unter Berlusconi, jegliches Vertrauen unter europäischen Staatsmännern- und Frauen zerstört hat. In Berlin hat man den Glauben daran verloren, dass die Länder auch ohne Druck der Märkte die nötigen Reformschritte einleiten. Griechenland gelingt es ja nicht einmal unter größtem Druck, auch nur Ansatzweise voranzukommen dabei, den Staatsapparat neu aufzustellen. Und wie lange Mario Monti auf die Unterstützung des Parlaments rechnen könnte, wenn der Druck von dem Land genommen wird, ist ebenfalls fraglich. Das ist einer der Gründe für das einseitige Beharren Berlins auf Austerität. Wenn man das jetzt nicht schafft, so die Überlegung, wann dann? Was aber politisch logisch ist, muss nicht unbedingt wirtschaftlich sinnvoll sein. Und darauf hat S & P jetzt hingewiesen.

Diese Diskrepanz zwischen politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten lässt sich am Ende gar nicht auflösen. Und weil die deutsche Politik nun offenbar mit ihrem Latein am Ende ist, fängt sie an wie Elmar Brok nach Sündenböcken zu suchen. Das ist finsterster europäisch-deutscher National-Chauvinismus. Und es ist ein billiges Ablenkungsmanöver. Das schlimme ist nur, dass es viele Leute gibt, die am Ende an diese Mär von der anglo-amerikanischen Verschwörung glauben werden. Weil in Deutschland über viele dieser Fragen in den vergangenen Jahren viel zu wenig diskutiert wurde. Und weil die meisten Deutschen deshalb nicht einmal wissen, wie isoliert sie mit ihren Positionen in Europa tatsächlich sind.

 

 

 

 

 

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